Wenig Geld für kreative Köpfe

Selbstständige, die kreative Berufe ausüben, bekommen oft wenig Geld für ihre Arbeit. Davon können sie kaum die Rente zahlen. Eine Berliner Agentur möchte ihnen helfen. Sie sucht für Kreative Jobs – mit guten Honoraren.

Wenig Geld für kreative Köpfe

Selbstständige, die kreative Berufe ausüben, bekommen oft wenig Geld für ihre Arbeit. Davon können sie kaum die Rente zahlen. Eine Berliner Agentur möchte ihnen helfen. Sie sucht für Kreative Jobs – mit guten Honoraren.

SPRECHER:
Er ist jung, er hat studiert, aber er verkauft sich für billiges Geld: eine Kampagne gegen Lohndumping. Die Idee stammt von diesen beiden Geschäftspartnern.
PHIL MEINWELT (Geschäftsführer von „Nook Names“):
Es war der Slogan gegen Kreativ-Prostitution. Also, wir wollen einfach verhindern, dass die Leute sich unter Wert verkaufen.
SPRECHER:
Arbeiten zu Niedriglöhnen in der Kreativbranche – damit haben sie auch schon Erfahrung gemacht. Deshalb gründeten sie ihre Vermittlungsagentur für Kreative.
JONAS DRECHSEL (Geschäftsführer von „Nook Names“):
Es gibt auf der einen Seite die Entwicklung, dass Leute immer mehr ausgebeutet werden, es gibt Plattformen, wo man dann… wo 100 Leute irgendwie ein Logo designen, und nur der Gewinner erhält dann Geld dafür. Das sehen wir einfach als absolute Ausbeutung.
SPRECHER:
Die Berliner Kreativbranche trifft sich in solchen hippen Workspaces: Web-Designer, Texter, Fotografen. Doch manche von ihnen müssen mit Honoraren auf Sozialhilfeniveau auskommen: knapp 1000 Euro im Monat. In ihrem Firmenvideo zeigen die Jobvermittler, wie sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenbringen. Sie vermitteln die Kreativen zu einem festen Tagessatz.
JONAS DRECHSEL:
Viele sagen ja immer: 300 Euro als Tagessatz, das klingt zu viel. Das ist ganz normal für Leute, die mit Freelancennichts zu tun haben. Aber wenn man das mal hoch- und runterrechnet, kommt man halt schnell darauf, dass man da keine Rente von zahlen kann, dass man da nichts davon zurücklegen kann.
SPRECHER:
Esther Schaarhüls ist Grafikdesignerin. Sie wurde von den beiden an eine Werbeagentur vermittelt. Dafür erhalten sie zehn Prozent Provision von ihrem Honorar.
ESTHER SCHAARHÜLS (Grafik-Designerin):
Dann ging das eigentlich relativ schnell, also, ich glaub, innerhalb von zwei Tagen hat die erste Agentur angerufen und dann eine Woche später die nächste, und mittlerweile gibt es auch Agenturen, die dann auch wiederkommen.
SPRECHER:
Berlin: ein Eldorado für die internationale Kreativszene. Doch für jeden Dritten reicht das Geld kaum zum Leben. Statt alleine zu Hause zu sitzen, arbeitet Esther Schaarhüls lieber zusammen mit anderen Selbstständigen. Hier findet sie Anregungen, Kontakte und manchmal auch neue Jobs. Ihr Tagessatz erscheint hoch – auf den ersten Blick.
ESTHER SCHAARHÜLS:
Also, theoretisch fängt [es] bei 450 an, 450, 500 Euro. Und wie oft? Also, es kommt sehr drauf an: Im Sommer ist es ganz oft so, dass man öfter mal gebucht wird, aber dann heißt es jetzt auch nicht jeden Tag, sondern dass es dann vielleicht ein-, zweimal im Monat, dann ist aber auch wieder zwei Monate nichts.
SPRECHER:
Weltweit wächst der Markt für die kreative Bohème. Sie sind jung, wollen unabhängig sein. Doch über die Schattenseiten sprechen sie ungern. Nach jedem Auftrag wartet die Ungewissheit. Sie sind gewerkschaftlich nicht organisiert. Es fehlen Tarifabschlüsse. Ihre schöne heile Welt belächeln manche mit Zynismus.
ECKART BURGWEDEL (Uberchord Musikplattform):
Tagessatz? Hast du gerade Tagessatz gesagt? Wow, ehrlich gesagt, in der Kategorie denke ich gar nicht. Du kriegst genug Geld, damit du nicht verhungerst, und das ist es dann auch. Und dann arbeitest du irgendwie zwischen acht und 16 Stunden und manchmal auch 20, manchmal auch 24, das ist aber selten. Aber in Tagessätzen kannst du nicht rechnen.
SPRECHER:
Aber die Grafik-Designerin hat für sich dazugelernt. Auf Lohndumping lässt sie sich heute nicht mehr ein.
ESTHER SCHAARHÜLS:
Da muss man dann, auch um seine eigene Energie und auch um sein eigenen … dass man auch seine Unkostenhat, um das zu schützen, muss man einfach auch hingehen und Grenzen setzen.
SPRECHER:
In ganz Deutschland arbeiten 1,5 Millionen Menschen in der Kreativbranche. Aber anders als Esther Schaarhüls schaffen es die meisten nicht, den Wert ihrer Arbeit auch durchzusetzen.

ndiq ne DW

Lini një koment